eisenhüttenstadt – guben
eisenhüttenstadt – guben, 32 km
2022/09
mit der oder
was bleibt:
- die frage nach d. nachfolger*in für das 9 € ticket
- die musekldickbepackten oberschenkel, die seit 4 wochen nicht mehr gelaufen sind außer 1x kurz bergab
- all die auszeit, die bald vorbei
- das anknüpfen dort, wo wir vor 3 monaten aufgehört haben
- das aussteigen am bahnhof in eisenhüttenstadt und das vorbeischrammen am alten stadtkern, dessen existenz wir damals bezweifelten, als wir uns über 1 unendlich erscheinende wohnstraße + abbiegen zum fischtei nach fast 40 km endlich zum bahnhof durchgearbeitet hatten, allerdings den zug verpassten + 1 weiteren km ins industriegebiet liefen für 1 brötchen – vielleicht haben wir ihn auch einfach übersehen, wie die aufzeichnung beweist, waren wir damals wie heute wie immer: nah dran
- die verteilerkästen mit herzen, die wir nicht erwartet haben
- das „auch“ in „jesus liebt auch dich“
- die schnitzel-wirtschaft, die denselben namen trägt wie die in charlottenburg, wo es die größten austernpilzschnitzelteller der welt gibt, wo die schwester + ich mit der mutter schnitzelessen waren + mit den leuten am nachbartisch wodka zur verdauung getrunken haben
- die ersten schlieren auf dem kanal + das vergessenhaben von schweinepest + fischesterben + das erinnern beim 1. zaun + 2. blick über die oder + ob es hier jetzt aktuell 1 b&b zu erwerben gäbe, das man mit leuten vor ort in ökologischer aufbruchsstimmung herrichten könnte, weil es wie wir festgestellt haben neulich überall nette leute gibt zwischen all den menschen
- der berlin marathon in berlin, den wir vergessen haben, wo wir zum 1. mal seit 6 jahren (inkl. 1 jahr coronapause) nicht teilnehmen, also das 1. mal nach 5x in folge, weil wir mit der pilgerung auf dem st. olavsleden unseren diesjährigen marathon quasi schon haben + keinerlei gefühl von traurigkeit oder enttäuschung, sondern freude, dass wir nicht 6 monate für 6 stunden trainieren mussten + die sms an den freund, der heute läuft, den wir anfeuern wollten an der strecke, aber jetzt doch unvermutet vor den menschenmassen geflohen sind
- der ältere mann in arbeitskleidung, der beim vorübergehen anhält + mit osteuropäischem akzent ernsthaft + freundlich sagt „sport ist gesund“, worauf wir nach 4 wochen norwegisch/schwedisch/englisch verdutzt antworten „ja für Sie auch“, wobei wir nicht wissen, ob wir das sagen, weil wir unvermittelt glauben, er mache 1 scherz oder wir damit gerechnet haben, dass er sagt „schönen sonntag“
- die fahrradfahrer*innen, die je nach eigener innerer verfassung grüßen, winken, lachen, wegsehen, vorbeiradeln + wie wir nach 4 wochen, wo wir kaum jemanden getroffen haben, und wenn, dann gegrüßt oder gar kurz geplaudert, plötzlich anfangen, begegnungen nicht nur von uns abhängig zu machen, sondern wahrzunehmen, wie es den anderen geht
- die langgezogene strecke, die wir auch deswegen ausgesucht haben, weil sie wenig neues verspricht, weil wir in den letzten monaten genug erlebt, wofür wir noch etwas auslauf zum rekapitulieren benötigen + es keine steigungen auch nicht gibt
- die beiden hirtehunde, auf die wir zuerst richtig, nämlich ruhig + ignorierend + abstand nehmend reagieren, aber dann auf unerklärliche weise getriggert werden vom lauten andauernden gebell + keinem hinweisschild + keinen personen + dem springen des 1 hundes gegen den langgestreckten herdenzaun, der kein ende nehmen will + völlig falsch reagieren + die hunde zurückweisen wollen + anschreien + schließlich das langsam werden + gehen + wieder ignorieren + zurückblicken am ende des zauns + die scham, dass wir das nicht geschafft haben + das googeln des richtigen verhaltens + das vornehmen, es beim nächsten mal besser zu machen + die ungelöste frage des kerns, der hochgeht + gegen das bellen bellt + das leid, das uns es tut, als wir später das hinweisschild finden, das auch in unserer richtung hätte stehen sollen
- das fabelhafte wetter
- das polizeiauto auf dem grenzübergang mit offenen türen
- das nichtabweichen von der strecke, obwohl das navi es sagt + das treffen des radfahrers, der uns winkend+lachend grüßt, auf diesem abschnitt + abweichen von der strecke, weil das navi es sagt + die rückkehr am zaun, wo 2 vorübergehen, die abweichung ignorierend
- der apfel, den wir auf dem weg finden + mitnehmen und später erst kurz vor dem zugeinlauf um die angedatschten stellen herum abknabbern, weil wir denken, jemand wird ihn suchen
- das schreckhafte auf+ zur seite springen als auf dem schmal gewordenen damm jemand hinter uns klingelt, das wiedererkennen des alten mannes, der uns gerade entgegenkam + verdrießlich grüßte + die veränderung in ihm mit diesem ereignis, was ihn zum schunzeln bringt „na na nicht erschrecken“
- der ort coschen, der uns an „halt di goschen!“ erinnert, was wir so oft gehört daheim früher + nun nicht wissen, wer es am meisten gesagt zu wem, aber wir fühlen uns angesprochen
- das nicht wichtig sein, wie lange wir laufen können + ob oder nicht und das aufhören kurz vor dem schmerz + die langen letzten stunden bis nach guben, wo der schmerz dann doch einsetzt
- die vielen verbissenen gesichter + das feststellen, dass wir uns die strecke auch noch ausgesucht, weil wir hofften, hier niemanden zu treffen + wie wir verwöhnt von den 3 einwohner*innen/qkm in jämtland mit der rückkehr in die mit >3 millionen berliner*innen besetzte wohnstadt, was 1/3 der bevölkerung schwedens entspricht, etwas schwierigkeiten haben
- das eintreffen in guben diesmal von der schönen seite her
- das plastinarium, das sich als eine der körperweltenausstellungen herausstellt, in die man gehen könnte, weil es gerade geöffnet hat, aber es ist halt nicht unser ding
- zeit nehmen für 1 kaffee vor ort, weil die züge alle halbe stunde gehen + weil wir ja was gelernt haben nach dem reha+reise-reset, nämlich etwas uppehållet
- all die marathonis in der ubahn, die wir nach all den stunden unterwegs auch wieder vergessen haben + das vergessen an sich
- das lang ersehnte fußbad 1 tag später
- das sich schwertun im schreiben