runde um caputh

runde um caputh

2023/10

mit altmann-linde, krähenberg, caputher see, schloss caputh

+ anschluss 3 touren: 1) 66-seen-weg, 2) schwielowsee, 3) runde um potsdam (s.u.)

was bleibt:

  • seit langem wieder 1x hinaus in die dunkelheit in aller der frühe, wo mir der herbststurm wie 1 warmer wüstenwind ins gesicht peitscht + das unbehagliche gefühl, das sich im körper ausbreitet, der dieses wetter nicht kennt: auf die leibliche erinnerung ist 1 besserer verlass als auf die kognitive
  • die zugschaffnerin, die mir im rücken stehend beim aussteigen erst 1 “auf wiedersehen” zuruft, das ich mit 1 freundlich umgewandten “tschüss” entgegne + anschließend mit “da lang” in die entgegengesetzte richtung des bahnsteiges zeigt, während ich auf 1 absperrgitter zulaufe
  • der anstieg hinauf zum krähenberg + der hund, der bei meinem nähern hinterm zaun aufgeregt zu bellen anfängt, weswegen ich überlege, wie es wäre, wenn ich taub wäre + hundebellen nicht hören könnte
  • das nicht aufhaltenlassen von der regenwarnung gestern, von der schlaflos=müdigkeit der 3. nacht, vom sturm heute morgen – einfach los + raus + später schön warm duschen
  • der anschluss an 3 begangene strecken = nachverdichtung der gps-datei als ausgleich dafür, dass wir keine 30 km langen linien mehr produzieren können + die befürchtung beim hineinspüren in den vielleicht schon chronischen plantarfasziitisschmerz, dass wirs auch nicht mehr können werden: was dann?
  • der blinkende glückspfennig auf den stufen hinauf zur altmann-linde wie 1 hellleuchtendes signal aus 1 anderen welt: schau, das hab ich verloren, du hasts gefunden, leg ruhigen gewissens 1 glück hinein
  • das 2malige frühstück + das stete erinnern daran zu sein, wo ich gerade bin, nicht im fitnessstudio später, nicht beim telefonat mit der freundin, nicht beim einkaufszettel, der immer länger wird, weil wir immer weniger auf 1x zusammenlegen können, weil wir (gerade?) nicht die ressourcen für schwere pakete/3 taschen/2 rucksäcke oder den kopf frei für 3 dinge gleichzeitig
  • einfach da sein, wo ich bin: auf diesem weg, an diesem see, in diesem wetter, mit diesen geräuschen, mit diesen vögeln, mit diesem laub = mit dem herbst jetzt also wirklich
  • das kurzatmige schluckauf-zucken des trockenen schluchzens beim umarmen des nächstbesten alten = dicken baums + das feststellen, dass ich nicht weinen kann, weils keinen grund gibt außer den depressionen + krisen um mich herum, die ich aufgrund grundständiger=bodenloser instabilität (DISposition) nicht abfedern kann, ohne mit abzustürzen vom schmalen grat meines eisberglebens
  • der reiher, der sich zum 2. frühstück gesellt + leise durchs seichte wasser stakst wie 1 katze durchs hohe gras
  • das orgelspiel in der kirche von caputh + die frage, ob gerade schon die messe läuft kurz vor 9 uhr oder d. orgerspieler*in nur übt=probt
  • das caputher schloss, das wir jetzt auch gesehen + die erneute umplanung der strecke: statt von hier aus mit dem bus zurück oder zurück zum bahnhof laufen eilen wir im kniegebeugten hüftwackelschnellschritt zum anschluss an die tour zu einsteins sommerhaus + zurück zur bushaltestelle, befriedigt, noch irgendwas erreicht zu haben mit dieser tour, außer einfach nur da_gewesen zu sein, als ob das nicht ausgereicht hätte
  • die vielen leute, die auf den bus warten + der einfahrende unerwartet halbgefüllte 2-3-achsige gelenkbus mit faltenbalg (auch schlenki, schlenker, knick- oder ziehharmonikabus genannt) + die jungen mütter von caputh
  • der martin-gropius-bau-besuch mit dem kollegen am nächsten tag, der sich erboten hat, mit in die (passend zum 40-jährigen deutsche aidshilfe-jubiläum) general-idea-ausstellun des kanadischen künstlerkollektivs zu gehen, auf welche ich durch 1 artikel der kolleg*innen aufmerksam wurde, aber die ich gefühlt nicht alleine hätte anschauen können ohne in 1 nicht nachvollziehbares selbstmitleid zu versinken: das geht mich ja alles an!?! – das kollektiv begleitete u.a. die aids-krise mit “infizierungen anderer kunstwerke” künstlerisch, bis es sich 1994 auflöste, weil 2 des trios an aids verstarben
"Imagevirus
Im Jahr 1986 zog General Idea von Toronto nach New York. Nach ihrem Erfolg in Europa wechselten sie den Ort, um den Kontakt zu internationalen Galerist*innen, Kurator*innen und Sammler*innen aufrechtzuerhalten. Gerade zur Sternstunde ihres künstlerischen Erfolgs befand sich die queere Community in New York in einer schweren Krise. Konfrontiert mit der zerstörerischen AIDS-Epedemie in der Stadt, schufen die drei im Juni 1987 ihr erstes Gemälde, das auf der Arbeit LOVE (1964) des Pop-Künstlers Robert Indiana basiert. Die vier Buchstaben aus Idianas Arbeit ersetzten sie durch das Wort "AIDS" […]. Das Projekt IMAGEVIRUS erreichte seine größte Sichtbarkeit und Wirkung jedoch nicht als Malerei in einer Galerie, sondern in Form von Postern und Plakatwänden auf der Straße. "Ins Herzblut der Kommunikation, Werbung und Transportsysteme iniiziert" schrieb AA Bronson später, habe es sich wie ein Virus im öffentlichen Raum verbreitet". Bis heute bleibt es eines der sichtbarsten und umfangreichsten Projekte der Gruppe. Fast alle jener Were realisierten sie noch vor Felix Partz'und Jorge Zontals eigenen HIV-Diagnosen: Partz erfuhr im Januar 1990 von seiner positiven Status, Zontal später im selben Jahr."
Quelle: Ausstellung General Idea im Martin Gropius Bau, 2023
  • die silberfarbene magic-bullet als tabletten-luftballon, den mir 1 aufseher in die hand drückt mit der frage, ob ich ihn mitnehmen möchte + die tränen, die ins gehirn gesickert immer noch keinen ausgang finden + der ältere herr im mantel, der mir 3x in den ausstellungsräumen begegnet + zuletzt etwas verloren auf der ausgangstreppe sitzt, ebenfalls mit 1 ballon in der hand – wir nicken uns zu
  • der gedanke, während ich mit dem kollegen in der warmen herbstsonne in der wolljacke, aus der vorhin beim ausziehen 1 motte geflogen, durch den tiergarten + am ufer der spree, die sich wie andy goldsworthys rivers+tides wie 1 gewundene schlange durch die stadt zieht, entlang zum kuchenladen schlendere, wo ich entgegen des cholesterinverbots 1 pannacotta zum hafermilchkaffee verspeise + als typisches berliner mitbringsel für die 3-köpfige familie daheim 1 eigentlich unerschwinglichen 3-schichtbaumkuchen erstehe, dass ich vielleicht im winter noch 1x in die ausstellung gehe, dann wie gewohnt allein – det klarer jag nu (das schaffe ich jetzt) -, nochmal die runde um den robbeneisberg drehe, 1 der heute schon ausgegangenen postkarten beschrifte + mich in den resonanzraum lege och en stund vilar (und mich 1 weile ausruhe)

https://www.kaschpar.de/2023/11/25/du-vael-ved-inte-vad-du-kan-baera/
https://www.kaschpar.de/2023/11/26/ich-habe-geistes-gewissenschaften-studiert/
https://www.kaschpar.de/2023/11/27/es-war-1-guter-plan-ich-hab-nur-nicht-mit-mir-gerechnet/

ich will nicht nicht sterben können = wollen

soundtrack zur bilderstrecke 1: der sturm

soundtrack zur bilderstrecke 2: die orgel