st. olavsleden 2022 (tvärtom) 14/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 14: slagsån – andersböle (3.9., 27,9 km)

was mir bleibt: dass ich die ausgegangene heizung anspreche morgens wie nebenbei, damit sich was ändert + ich nicht wie bei lars keinen ton von mir gebe zur ausgegangenen dusche. knut+rut haben das frühstück im riesenraum vorbereitet + es gibt 1 buffet, von dem ich mir nehmen kann, was ich mag. es gibt selbstgemachten smoothie. 

wir plaudern über das unterwegs sein, wege gehen + arbeiten. knut will auch pilgern, aber lieber den camino, weil hier könnte er jederzeit losziehen + viele ecken kennt er schon. ob es nicht das herrlichste stück aufm weg sei? prima, da bin ich jetzt gestern schnell durch, um rechtzeitig hier zu sein, wie versprochen angekündigt. what’s wrong with me?

ich schreibe 1 seite ins gästebuch an kära lia+erik + mama 1 sms mit bildern vom kirchenkaffee. ich spüre irgendwas komisches, vielleicht weil ich allein unterwegs bin, aber ich verdränge es. vielleicht habe ich was getriggert bei denen, die hier sind+bleiben, während ich mich auf den weg mache. ich freue mich beim abschied so über die begegnung + das viele schwedisch-sprechen, dass ich beide drücke, knut steige ich auf den fuß. er erklärt mir noch den weg + ich laufe falsch. zumindest schöne utsikt.

ich laufe es weg

zurück auf dem richtigen weg umrunde ich die ausläufer des indalsälven bei herrlichstem sonneschein. bei der kälte + dem wetter ists wieder zeit für die winterreise, das nebensonnen-lied. ich schalte dafür die mobilen daten an, die ich sonst ausgestellt habe + nur, wenn ich nachrichten erhoffe/versende + etwas suche, aktiviere. bisher habe ich sie kaum gebraucht, in den nächsten wochen aber werde ich immer häufiger checken, ob sich kleine rote kreise mit zahlen drin auf meinen applikationen zeigen. heute bin ich seit 2 wochen unterwegs. noch nicht mal die hälfte geschaft der km, aber die hälfte der tage, wie sich später rausstellen wird. die nächsten km durch den wald ziehe ich singend + hoffe, es versteht mich niemand. 

Drei Sonnen sah’ ich am Himmel stehn, 
Hab’ lang’ und fest sie angesehn; 
Und sie auch standen da so stier, 
Als könnten sie nicht weg von mir. 
Ach, meine Sonnen seid ihr nicht! 
Schaut Andren doch in’s Angesicht! 
Ja, neulich hatt’ ich auch wohl drei: 
Nun sind hinab die besten zwei. 
Ging’ nur die dritt’ erst hinterdrein! 
Im Dunkel wird mir wohler sein.

Wilhelm Müller: Die Nebensonnen. Aus: Die Winterreise. Gedichtzyklus. 23. Gedicht. 1824. Vertonung von Franz Schubert, 1827.

dann suche ich mir noch den leiermann + denke an die beste bierbichlerversion. wie die muster uns in die gene gelegt, wiederholen die motive sich in unserem leben in regelmäßigem zyklus. 

  • was alle haben: nebenlscheinwerfer

kor är nyfiken

mit den tieren am rande des weges in brandenburg immer mehr kontakt als mit den menschen. nun ists mal umgekehrt, da fange ich schon wieder an, den kühen zu winken. oh, es sind stiere! sie kommen näher heran. oh oh!

  • was alle haben: traktoren

das wort überfordert gibts nicht im schwedischen. die lehrerin sagt: för mycket kann man sagen. zu viel. aber es beschreibt nicht dasselbe. man braucht den individuellen aspekt des menschlichen nicht-mehr-könnens auf grundlage seiner ressorcen hinsichtlich der erwartungen/anforderungen. överansträngd. överbelastad. finde ich noch. nein. das ist es nicht. es gibt auch kein wort für heiß. also es gibt het + hetta. aber heiße schokolade heißt varm chocklad. 1 varmdryck ist 1 heißgetränk. heizung heißt värme.

an 1 see mache ich 1 rast. es ist sehr kalt, aber in der sonne gehts. es kann nicht lang her sein, da haben die leute hier sich gesonnt+gebadet. es muss 1 beliebter ausflugspunkt sein, es gibt zahlreiche bänke + umgestürzte baumstämme als sitzgelegenheit. jetzt aber ist alles leer wie fast alle rastplätze, an denen ich vorbeikomme. ich knabbere an meinem vorrat + muss bald wieder weitergehen. es geht wieder zur straße hinauf. 1 auto hupt. wieso? war das 1 gruß oder 1 warnung? winken verstehe ich besser. 

an 1 stall hat der besitzer 1 wand für die pilger*innen aufgehangen: hier können sie sich alle in dieser saison verewigen. ich sehe 1-2 bekannte namen + schreibe meinen dazu. es ist schön, allein zu gehen + trotzdem teil 1 solchen projekts zu sein. nach der saison werden alle hinweggewischt + nächstes jahr beginnt alles von vorne. 

was haben sie hier nur mit ihren milchkannen? alle höfe sind wunderbar aufgeräumt, alle schuppen sind rot lackiert, selbst die kleinsten briefkästen haben 1 dach. alte milchkannen stehen geschmückt mit blumen in kleinen regalen mit dach an den ausfahrten. unsere milchkannen zuhause haben ausgedient, 1 steht bei mir daheim + verwahrt brennbare dinge in der hoffnung, bei 1 nächsten feuer was retten zu können. es liegt aber nicht das wichtige drin: die festplattenkopie. 

zum glück geht es bald wieder von der straße runter am nächsten see entlang, der befahrbar ist, überall wird gebaut, überall gibt es kleine hütten, rastplätze, ferienhäuser. die dünne besiedelung nimmt etwas zu. wie viele deutsche haben hier wohl 1 sommerhaus?

ich treffe sarianna, die auch alleine geht, bis zu 38 km macht sie am tag, hat 3 tage nach mir angefangen. wir treffen uns fast direkt auf der hälfte des wegs. mit meinem lädierten körper kann ich ihre strecken kaum glauben, nicht mit dem gepäck, sie geht von sonnenauf-bis-untergang. sie erzählt mir von dem mann, der wie ich andersrum geht + ob ich leute in ihrer richtung getroffen hätte. zuletzt nicht mehr, nein. sie gibt mir noch 1 tipp 1 lokalen eatingplaces. zum abschied klatschen wir uns high-5 in die hände, dann spreizen sich unsere finger + gleiten ineinander. irgendwas ist anders, als wir uns verabschieden. 

ich erklimme den nächsten hügel, wo das nächste denkmal steht, die schanze von mörsil. 1 stein gedenkt dem norrländischen artillerie-regiment von 1893. nur 6 jahre später, lese ich jetzt erst im internet, wurde das 1. schwedische sanatorium anscheinend nach deutscher fashion hier erbaut – zur behandlung von tuberkulose. vielleicht ist das hier der zauberberg?! 

mörsils skans

die militärische schanze wurde wohl mit der anladung schwedischer truppen in 1611 unter dem befehlshaber baltzar bäck erbaut + spielte im konflikt zwischen dänemark-norwegen + schweden 1 größere rolle. die schanze wurde mehrfach gestürmt, zerstört + an unterschiedlichen stellen wieder aufgebaut. im 2. weltkrieg gab es hier 1 schutzraum + 1 kanonenplatz. weiter vorne am ufer sind wir an den stridsvagnshinder vorbeigekommen, große betonklötze, mitten im trampelpfad zurückgelassen. es gibt keinen zauberberg im krieg.

1 vom heimatverein aufgestellte ryttarhärbe für reiterausrüstung ist verschlossen. mit auf dem hügel 1 kindergarten, wo zahlreiche kinder von 1 frau bewacht auf dem spielplatz toben. gegenüber die kirche. es sieht aus, als ob die christliche gemeinde hier mehrere menschen aufgenommen hat. es sieht nicht richtig aus nach inklusion/integration, sondern eher wie charity/caritas. die typische mission. aber vielleicht täusche ich mich mit meinem marienhefthintergrund + dem beichtbuch, das uns im kommunionsunterricht helfen sollte, die richtigen sünden zu beichten. die erinnerung daran, wie wir drin blätterten + im beichstuhl auswendig gelernte sünden vorbrachten, die mit 10 ave maria + 1 vater unser vergolten waren. wie ernst ich nahm, was ich nicht verstand. 

obwohl ich vorbeigehe zuerst, weil ich im supermarkt einkaufen möchte vor andersböle, kehre ich zurück + ein. es ist 1 gute entscheidung. was für 1 wundervoller laden! im hof ist 1 kleiner markt mit frischem käse + gemüse, ich will eigentlich nur 1 milchkaffee, entscheide mich aber schnell um + kaufe brot + marmelade. die frau hinterm tresen spricht mich auf deutsch an, nachdem ich nach kaffee gefragt habe. ich reagiere nicht + bleibe bei schwedisch. auf die frage, obs milchkaffee gebe, sagt sie: „vi har kaffe och vi har mjölkich sehne mich nach 1 großen maschine mit aufgeschäumtem havredryck. an der kasse lege ich noch lakritzschoki drauf + sie sagt, das wäre die beste. hat sich meine magenverstimmung von den lösgodis jetzt aufgelöst? draußen kaufe ich noch käse, dann ist das mahl komplett. man kann so viel kaffee nachfüllen, wie man will. ich trinke 2 tassen. 

bevor ich gehe, verabschiede ich mich + frage sie mit meinem krausen schwedisch, woher sie wusste, dass ich deutsche sei. ich verstehe das wort nicht, das sie sagt, dann meint sie: man höre es. ich muss lachen, erinnere mich an maxi+claudia + sage, ich höre den deutschen an ihrem englisch an, woher sie kämen. jetzt hätte ich es extra mit schwedisch versucht + kein erfolg. plötzlich hab ich die seiten gewechselt. ich bin daheim, stehe hinterm tresen, ich bin kein*e tourist*in. zwischen den alten lesben hier im café könnt ich arbeiten, ich passe hier rein. 

weil ich gestärkt bin, gehe ich die hügel auf+ab, statt den langweiligen radweg am fuße des „berges“ zu nehmen. am nächsten kriegsdenkmal gedenkstein zum vapenstillestånd zwischen schwedischen+nordischen truppen am 25.07.1809 mache ich 1 obligatorisches foto von stein + olavswegweiser. aber von krieg habe ich genug. ich mache mir gedanken über die hütte, die ich telefonisch gebucht, ob ich alles verstanden habe. der schlüssel steckt. wirklich? es ist 1 einsame stuga in 1 einfahrt, vielleicht kommt weiter hinten 1 hof. ich schreibe mats 1 sms, wo ich wie viel geld lassen soll, habe vergessen, was es kostet. 250 sek. 

es gibt heizung+strom, wasser kommt aus 1 bereitgestellten 5l-kanister, die „dusche“ ist draußen 1 wasserschlauch, aber das wasser ist abgestellt. im stall nebenan sind 3 türen, von denen 1 zu 1 zweiten tür zum utedo führt. hinter 1 anderen gäbe es 1 sauna. oh! die stiere auf der wiese neben der stuga sind ebenfalls neugierig + kommen heran. sie müssen auch aufs klo. 

im küchenschrank finden sich bier, chips + fertiggerichte, kerzen + tampons. man soll auf 1 zettel schreiben, was man das nächste mal haben möchte, dann würde mats es hier lagern. ich nehme 1 bier + zünde mit dem gehackten holz, von dem ich nicht weiß, wo es herkommt + wie mans erneuern könnte, 1 feuer an. der abzug funktioniert nicht richtig oder ich verstehe die vorrichtung nicht. ich muss zwischendurch das fenster aufmachen – die stiere glotzen herein. 

den letzten babybell lege ich in den kühlschrank für d. nächste*n pilger*in in der hoffnung, das magenproblem löst sich auf. esse noch ½ tüte salznüsse+kerne sowie die teure gelobte lakritzschokolade. ich werde noch lange brauchen, bis ich heile. beim nächsten einkauf vielleicht besser aufpassen, schon da vorsorgen. die erinnerung an die triggereinkäufe, plötzlich 1 paket chips zuhause, wo soll das hin? was wir alles schon nicht mehr kaufen konnten in der angst, wir würden es mit 1 happs verschlingen + später wieder auswürgen. jetzt können wir schon die koro-kg-packungen kaufen + alles ist gut. zumindest, solange wir keine snackware kaufen. nüsse gehen. was anderes trauen wir uns nicht. ist ja auch nicht gesund. 

wie zu beginn komme ich mit dem nach_denken nicht mehr ganz hinterher. die strecken werden länger + die nächte kürzer. kein halber tag mehr dazwischen für ½ tag pause. ich wache nachts wieder auf wie vor der reha, die leber verarbeitet all das fett nicht mehr. nein, nicht das bier. das bisschen bier … ich träume schlecht. die alten muster kämpfen gegen die neuen verhaltensweisen, neue verhaltensweisen triggern träume. alles will verarbeitet werden. 

ich mache mir feuer, esse mich satt + gehe früh schlafen.
was brauche ich mehr.