st. olavsleden 2022 (tvärtom) 12/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 12: tännforsen – åre (1.9., 24,6 km)

oh wie wunderbar ist panama

was für 1 herrliches frühstück! so schnell vorbei … es geht sogar bisschen dehnen im flur. die badezimmerfußbodenheizung ist übernacht heißgekocht + ich heize morgens damit den rest der stuga. die wäsche ist sauber, trocken + fein. 

ich schreibe 1 dankeszettel + lege 50 nok dazu in den korb: några saker som 1 kaka är obetalbara. manche sachen wie 1 kuchen sind unbezahlbar. ich schreibe den zettel wegen verschreibens 3x + bin bis zum ende nicht sicher, ob es obetalbar oder obetalbara heißt wegen plural. das übersetzungsprogramm macht mir später 1 vollkommen anderen satz draus: „vissa saker som en tårta är ovärderliga“. zumindest weiß man, dass ichs mir selbst ausgedacht habe.

ich gehe früh los + mache nochmal die wasserfallrunde. jetzt ganz warm, ausgeschlafen, satt, erleichtert. es fühlt sich so anders an. ich wünschte, es wäre gestern abend schon so gewesen. + ich nehme mir vor, dass ich jetzt die lesson learned: vertrauen, dass es 1 lösung gibt. wie auch immer sie aussieht. ich brauche auch keine 50 alternativen durchspielen, bis es soweit ist. zeit brauche ich. nur GEduLD.

niemand ist unterwegs

ich bin niemand. ich habe alle fotoaussichtspunkte für mich allein, die sonne strahlt wegen der kälte doppelt so hell + klirrt mir eiskalte tropfen des falls auf meine linsen. überm wassefall erscheint 1 regenbogen. ich darf kurz weinen, nicht wahr? ich schicke das bild mit 1 herz an die menschen daheim. dann ziehe ich los, es ist wunderbar. 

thomas schreibt 1 sms, wie weit der morgenstern <großgeschrieben> gewandert sei. da habe ich den salat. ich überlege ein paar km, ob ich antworte oder nicht + wenn ja, was. dann fällt mir ein, dass ich die letzten 2 tage fast nur auf der hauptstraße unterwegs war + man einfach dem verlauf folgen müsste, bis man auf mich trifft. ich schreibe dankeschön + alles gute. damit ist das jetzt auch abgeschlossen. 

wieder geht es bis åre die hauptstraße entlang, jetzt die richtige e14. wird das jetzt nochmal anders? das schönste stück liegt hinter uns, was kann jetzt noch kommen? der indalsälven begleitet uns – wenigstens 1 langgezogener höhepunkt immer dabei. die sonne strahlt, wir können uns gar nicht beschweren. bei wem auch? das haben wir uns so ausgesucht. ganz schön viel verkehr, für fußgänger*innen. es ist 1 pilger*innenweg, sage ich mir, kein wanderweg, da gehts um mehr als 1 grandiose utsikt.

die hat man ein wenig vom nächsten karolinderdenkmal, wo ich zahlreiche stufen 1 treppe hinaufsteige, von der 1 schild kündigt, dass sie fertig sei. ich glaube es nicht, es gibt ja gar kein geländer?! oder haben sie das <metall> wie in brandenburg die buchstaben von den gräbern geklaut? (erst mal denken: das wurde geklaut, es kann ja auch immer noch anders sein wie etwa: da wird was restauriert/repariert.)

was alle haben:

  • 1 schwedenfahne am haus/im garten/am zaun

mit den resten vom frühstück 1 rast auf der treppe, weil beim denkmal keine bank. alles dreht sich ums essen. vielleicht ists gut, wenn ich die aufzeichnungen nicht sofort ummünze in fertige verschriftlichung, sondern nur wie 1 landvermesser*in meine stationen kartographiere, ich würde das essen sonst aus dem text löschen, was bliebe dann? vielleicht muss es so sein: vielleicht ist der weg mehr als fortsetzung der reha, mich um mich kümmern, gut mit mir umgehen, vielleicht kann es die heilung sein. von allem! die 3 herpes auf der lippe von vor der reha, als ich dachte, ich hätte schon corona, aber kein test schlug positiv an, nur die lippe voll herpes labialis, sind fast schon verheilt.

mittags erreiche ich telefonisch die nächste unterkunft, jetzt habe ich für übermorgen was gebucht. plötzlich bin ich in der planung runter+abgefallen. heute, morgen, übermorgen. jeder tag weniger zählt. ich glaube, das ist mein minimum. wenn ich nicht weiß, wo ich morgen schlafen werde, ob ich 1 offene herberge fußläufig erreiche, krieg ich 1 krise. aber so gehts. 

schneemobilschilder auf der straße irritieren mich – wie siehts hier im winter bloß aus? die 1. wahlplakate kreuzen meinen weg. die centerparti wirbt für mehr krankenschwestern, wodurch es kürzere warteschlangen gäbe. die miljöpartiet schreibt einfach nur 1 haufen worte zwischen ihren wiederholten parteinamen: leben stadt schule verkehr industrie etc. „alla ska med när Sverige ställer om“, sagt das plakat der kanditatin daneben. alle sollen mit. die ausläufer von åre beginnen mit sonnenzuwandten mehrfamilienferienwohnungshäusern, die geschlossen aussehen. 1 mumin + 1 katze an bretterwändern. es geht an fluss+schienen+straße entlang.

vila 1 stund

am nächsten wasserfall, der nach tännforsen eher in die ruhigere kategorie zu ordnen ist, setze ich mich trotz kälte mit alumatte+“daunen“jacke auf den steinen zur ruhe. ehrlich gesagt stehe ich erst lange mit dem rucksack auf dem rücken da, bevor ich 1 hütte sehe, wo ich mein zeug ablegen kann. im hintergrund steht 1 klosett mit herz: der landowner möchte nicht, dass man aufs grundstück kackt. 

ich brauche nichts, nur das rauschen im hintergrund + den ausblick auf die himmelformation, die sich wie 1 geflügeltes tier vor die sonne schiebt. siehst du mich? fast hätte ich die stelle hier verpasst, weil menschen vorne am rastplatz saßen. ich aber kann jetzt hinuntergehen, grüßen, vorbeigehen, meinen platz finden. erst als 1 frau mit hund auftaucht, die sich anschickt, sich hier zu sonnen, packe ich ein. 

anscheinend habe ich laut meinen aufzeichnungen heute erst die 7 regeln der birgitta gelesen, nicht schon vor stiklestad, wie ich jetzt gedacht+geschrieben habe. vielleicht setze ich mich deshalb hin. beim wort sorglosigkeit sträuben sich mir alle haare – vielleicht ist die översättning hier zu weit gegangen. bekymmerslöshet ist aber auch nicht besser. hat sie wirklich sorglosigkeit gemeint? der himmel geht auf+zu + es wird kalt. gerade ist alles ok.

weil ich noch kann, steche ich ins museumsdorf ab. eigentlich habe ich nur lust auf 1milchkaffee, aber 1 sommercafé ist im september vermutlich geschlossen. die häuser des hembygdsförbund sind alle geschenkt, ab+ hier wieder aufgebaut. 1 verblühte midsommerstång steht einsam im perfekt gepflegten grünen rasen. zurück auf der hauptstraße fahren busse+bahnen an uns vorbei, 1 riesiges schild weist auf den public transport hin. danke, wir würden mitfahren, aber heute zu fuß. oh! 1 alter skiliftsessel als bushaltestelle: vad kul! im hintergrund die skiberge. kein schnee in sicht.

in åre kaufe ich falafel + stelle fest, dass es 1 soziales projekt 1 jungen schweden ist, der mit migrant*innen arbeitet + ihnen damit 1 job gibt, damit sie bleiben können. der ort überrascht mich, ich habe beim reingehen zwischen all den sportgeschäften + den auf schnee wartenden sonnenbrillenmenschen das nicht erwartet. was mich nicht überrascht, ist meine angst (vielleicht ist es sorge?), dass ich das essen eigentlich mitnehmen müsste + mich nicht auf die pelzbank setzen dürfte, weil die nur zum warten ist. ich zahle 155 sek für 1 limo + das beste falafelbrot der welt + bleibe sitzen, bis ich mir alle sauce auf den rock getropft habe. heute trage ich die alternative warme wanderleggins mit dem wanderrock. wieso nicht? es ist kein regen angesagt. ich bin 1 mädchen. 

im supermarkt kaufe ich ein, als würde ich verhungern + jahrelang an keinem geschäft mehr vorbeikommen. lösgodis. meine güte, ich schaufele schokonüsse+salzmais in 1 riesige tüte. das haut nicht hin, die roten flecken im gesicht sind damit vorprogrammiert. aber was solls, das lauf ich alles weg. noch 1 kaffee in die hand für wechselgeld + 1 croissant dazu, weil sichs sonst nicht lohnt. der café latte ist schwarz. 

andrum = atemraum

im andrum bei anna karin komme ich mir wie 1 betrügerin vor, weil ich keinen pilgerpass habe, als sie danach fragt. 300 nok kostet das in diesem nobelort, es ist, als ob ich das nicht verdient hätte. schon die 2. frage verstehe ich nicht. ich bin tvärtom unterwegs. die 1-zimmer-wohnung hat im haus 1 extra eingang mit bad, waschmaschine + 2 einzelbetten, von denen sie nur noch 1 vermieten an 1 einzelne person. andrum för pilgrim. das bin ich doch?! 

sie lässt mich ankommen, bevor sie nochmal vorbeischaut wegen der bezahlung, da stehe ich ausgezogen im bad kurz vor der dusche + streife mir schnell 2 teile über: es ist verhext! sie erzählt, dass sie morgen abreisen, wann ich gehen würde? deshalb hat ihr mann vielleicht so komisch gekuckt, als ich kam. morgen wollen sie los + da kommt heute noch die pilgerin, so 1 stress. es fällt ihr ein, dass ich schwedisch lernen will + sie plaudert ein wenig mit mir – sie mag mich doch + hält mich nicht für 1 schwinderlin! jag hoppas eftersom det stämmer (inte).

ich esse die hälfte der bonbons von der theke (finde sogar das snickers-mini später noch blind in der nacht: danke, memory!), nehme etwas vom obst + lege das trinkgeld in die schale. danke danke danke! das bier im kühlschrank trinke ich nicht. wie würde das aussehen?!

es gibt 1 postkartenservice: von der alten kirche, die ich noch nicht gesehen habe, sind frankierte karten da. ich schreibe mama von der herzlichkeit+hilfsbereitschaft der leute hier, die mich abholen+rumfahren, mir kuchen schenken, für billiges geld in geheizten all-inclusiv-betten schlafen lassen. ich lasse sie liegen, weil anna karin sie zur post bringen wird, wie da steht. ab morgen werde ich mich 3 tage schämen, dass ich die karte nicht selbst in den briefkasten gesteckt, sondern ihr so 1 mühe gemacht habe. vielleicht hab ichs ja falsch verstanden? dann setze ich mich mit meinen warmen sachen auf die stühle im garten, die ich benutzen darf, falls jemand mit mir reden will oder vad som helst. es kommt aber keine*r. 

ich brauche eigentlich keine waschmaschine, aber wer weiß, wann die nächste kommt? ich wasche das, was ich heute getragen habe + verbrauche alle energie. am ende streikt die maschine streikt, will nicht aufgehen. nej!!! ich kann aber nicht nach oben gehen + nachfragen, weil die leute ja morgen früh wegfahren + jetzt spätabends sicher keinen bock auf die waschmaschinenprobleme der pilgerin haben. ich mache das, was einem jede technikhotline zuerst rät: schalten Sie das gerät aus + wieder an. ich stelle nochmal auf schleudern+abpumpen, während mein herz heißläuft – wenn ichs anschließen könnte, wäre die wäsche in 2 min. fertig. stattdessen gehe ich in die küche + lasse ich dem gerät zeit, über sein leben nachzudenken, ich koch mir 1 tee. dann renne ich plötzlich mit 1 blitzidee zurück + drehe am temperaturknopf – da geht die tür auf. ach so gehts? puh! bei meinem glück stelle ich den trockner noch kurz an, aber da ich keinerlei vertrauen mehr übrig habe, hänge ich nach 1-2 umdrehungen alles auf.

das bett ist frischgemacht + voller kissen+decken. ich aber schone die bettwäsche + lege alles, was ich nicht unbedingt brauche, zur seite. das ist alles drin im preis? mein magentablettenkonsum bleibt konstant bei 2 tabletten pro tag. ich glaube, es wird besser. ich muss heilen. muss muss.

es ist 1 heilsamer weg, was nicht heißt, dass er einfach ist. er holt alles nochmal raus, was schon da ist + hält es mir wie 1 spiegel vor. die angst, die sich überall hineinfrisst, bis ihr schlecht wird. die sorge, nicht zu genügen, nicht dazuzugehören. das misstrauen, dass ständig irgendwas passiert. das abdanken+abkaufen der kleinsten annehmlichkeiten. das vermeiden von begegnungen + der stressertussiapparat, der anläuft, wenn was nicht klappt. ich sehe es. ich spüre es. ich weiß es.

selbst ohne druck+erwartung außerhalb der arbeit schaffe ich es, mit lauter eingebildeten drücken+erwartungen der menschen um mich herum mir schöne beklemmungen zu bilden: ich stresse sie mit meiner anruferei, ich komme auf jeden fall ungelegen, allein meine anwesenheit ist 1 zumutung.

es ist 1 heilsamer weg, das heißt, ich habe die chance, es anders zu machen. anders zu erleben. ich darf.

die wachmachine ist aufgegangen.
jetzt erst mal verschnaufen.