st. olavsleden 2022 (tvärtom) 26/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 26: stöde – matfors (15.9., 32,7 km)

was für 1 lange tour!

ich habe bei der planung nicht an regen gedacht. während der wanderung nehmen die beiden dinge zu: die länge + der regen. beeren gibt es keine mehr. jetzt ist herbst. überall wächst 1 lila pflanze mit weißen wollbüscheln. die blätter huschen mit letzten atemzügen im wind + rieseln von den bäumen.

ich putze das riesige haus am wenigsten von den letzten wohnungen. ich löse mich aus den beziehungen. weil ich so viele hatte + voll bin? weil die leute in dieser gegend anders sind? weils mir nicht mehr so wichtig ist? weil ich müde bin?

anna hat mich extra aufs gästebuch hingewiesen, ich hinterlasse durch sie bestärkt 1 sehr falsch geschriebenen, oft korrigierten absatz, wo gar nichts persönliches mehr drin steht. der absatz des kindes vor mir mit der älgjakt klingt ganz natürlich. vielleicht bin ich auch bald am ende wie der weg.

wenn ich morgen in matfors aufwache + das gästebuch sehe, werde ich gar nicht wissen, was ich außer „der wasserkocher geht bei mir nicht“ schreiben soll. es ist keine herberge, es ist 1 buchung über booking.com. es wird 1 gute unterkunft, aber es ist wie im hotel. ich werde noch müder sein als heute. es muss so sein am ende, damit es aufhören kann.

ich kehre ein wenig + bin spät dran, putze die mikrowelle, obwohls nicht mein dreck ist. das haben sie nicht verdient, dass es hier so aussieht. in matfors wird der hygieneimer nicht geleert worden sein. alles neigt sich dem ende der saison zu. wären keine elektrischen heizkörper im haus, könnte man sich nicht mehr hier aufhalten. obwohl, es gibt ja auch 1 kamin, aber ich habe kein feuer angezündet. ich habe die heizung nicht heruntergedreht. ich mache es mir wärmer. ich bezahle mehr. 

ich verliere den kontakt

wollte ich das nicht auch? ich habe nicht auf die antwort der stuga in matfors gewartet, ich habe 5 tage im voraus gebucht gehabt, ich wollte alles schnell abhaken. jetzt merke ich den unterschied. die stuga sagt auf mein sorry, die andere hütte ist nicht stornierbar: ist doch ok, hauptsache, du hast 1 bleibe, guten weg dir! ich bin traurig. es ist ok, dass ich ankommen will. aber es ist auch 1 abschied.

jeder tag ist hej välkommen + hejdå ha det bra!

ich schlafe wieder dauernd ab 20 uhr ein + bin nachts 1 stunde wach zur leberzeit, weil sie all das essen nicht verdaut. oder ist es der kopf, der nicht mit dem default mode hinterherkommt? dann recherchiere ich. wo gehe ich hin? was brauche ich? was ist bezahlbar? was ist jetzt nach der wanderung das richtige? den zug buche ich nicht um. 

ich schreibe wenig von der strecke, aber dafür gehe ich die bilder wieder ab. so gehe ich den weg noch 1x. der himmel weitgehend zu, aber zwischendurch am horizont wieder das kleine blaue fenster zur welt hinterm schleier: bleib dran! in stöde überqueren wir den ljungan, der sich auftut zum riesensee – mittendrin 1 einsamer bootsmann auf 1 stele, da kommen 4 schwäne daher mit ihrem geräuschvollen klagenden schwung, 1 jeder flügelschlag 1 ahnung der anstrengung.

zwischendurch reißt der himmel so weit auf, dass uns das blau 1 stück trägt. ausgeschilderte quellen mit tassen zum abfüllen. 1 toter frosch auf dem rücken, mitten im weg. 

zwischendurch check ich die mails. an der küste habe ich 1 stf gefunden + frage per mail nach, obs 1 busanbindung gibt. manchmal gibts ja auch abholservice. einfach mal probieren. hätte ich das früher gemacht? 

lycka till med vandring”

ich bekomme 1 mms, die ich abrufen muss, ich suche die telefonnummer in meiner anrufliste, ich hatte kontakt, also lade ichs runter. ich habe angst, dass jemand 1 bild sendet von 1 wohnung, die ich schmutzig hinterlassen habe + sich beschwert. das bin ich: erstmal das schlimmste annehmen. aber es ist die nachricht von britt-inger aus fränsta, die sich für das trinkgeld bedankt. ich verstehe erst, dass sie mir 1 job anbietet mit meinem guten schwedisch. dann verstehe ich es richtig: nicht bei ihr, sondern allgemein könnte ich im tourismus arbeiten. im gastgewerbe. da, wo ich herkomme. ich bin der wirt. 

ich kriege es gut hin trotz der langen strecke, nicht in den marschschritt zu verfallen. ich gehe zügig, aber nicht gehetzt. ich nehme mir zeit für fotos, aber ich klebe an der uhr. malsomalso. die strecke wird nicht weniger, sondern mehr, weil ich nicht abkürze über die e14, sondern zurück zum hauptweg gehe. ich lasse den extra berg fürs sightseeing aus + mache sonst keine abstecher. also doch stechschritt.

ich mache auch keine pause, weils zu regnen beginnt + kein unterstand kommt. 1 bank ohne dach lasse ich aus, weils gut läuft + ich mich auf 1 spätere pause eingestellt habe, doch da muss ich weitergehen, weil man an der ausgesuchten stelle am strandhaus nicht rasten und/oder pinkeln kann. die erinnerung an die frau, die sich ein paar hundert meter vor mir direkt neben den rasttisch zum pinkeln hockte, während ihr begleiter abreisebereit daneben stand. jeder braucht unterschiedlich viel abstand. 

plogging+pliking

ich sammle 2 dosen aus den straßengräben, die ich im supermarkt wegwerfen werde, weil ich die rückgabe nicht finde + das spendenpfand zu spät sehe. beim strandrastplatz bin ich unsicher, ob er nicht doch privat ist, auch wenn auf meiner karte was eingetragen ist, aber sollen sie mich doch rauswerfen! jawohl! 

es ist 1 wundervolle, windgeschützte bucht mit schwarzen großen steinen im schwarzen ljungang, davor überall die weiß verpackten strohballen, am anderen ufer die rauschende schnellstraße. der regen zieht sich zum sprühnebel drüben zusammen + senkt sich auf die nadelbewaldeten hügel. jetzt kommen die tränen, die richtigen, weil es loslassen heißt. weil ich nicht hier bleiben kann, weil ich nicht dazugehöre. wir steigen auf 1 stein, auf den 1 treppe führt + im sommer als sprungschanze dient. wir sind im fluss.

ich schöpfe wasser + will den kocher 1x kochen sehen, drehe auf + warte, es wird auch richtig heiß – so heiß, dass ich mich frage, warum? das brauchts gar nicht. aber aufm wasser schwammen schaumkronen, hier mehr, dort weniger, es ist 1 badeplatz + ich habes trotzdem abgeschöpft. es ist ja schon herbst + es wird schon gutgehen. alle holen doch ihr wasser ausm see oder nicht?

mit den letzten tagen lerne ich, den rucksack auch von essen zu leeren. ich teile mir meine letzte verpflegung ein + knabbere chinesische nudeln, die für suppe gedacht waren, trocken wie chips wie die kids ausm wedding von früher ausm späti, wo ich während des abis gearbeitet + versucht habe, mein kindermobbingtrauma zu überwinden mit all den süßigkeiten kaufenden+stehlenden kindern, die im+vorm laden herumlungerten. aber sie waren so geschickt, ein paar haben mich abgelenkt, die anderen eingesteckt, manche bekamen hausverbot + später wusste ich nicht mehr, welche es waren. 

trief tropf trauf

anstatt mich hinzusetzen, esse ich den schokoriegel im laufen, weils zu regnen anfängt. immer stärker. bis es krass schüttet ohne ende. es regnet so sehr, dass all meine ausrüstung auf die probe gestellt wird. aber auch 1 regenjacke hat nur 1 gewisse wassersäule + wenn der regen zwischen regenhülle+rucksack fließt, kanns auch plötzlich im rucksack drinnen nass sein. zum glück haben wir alles in regendichten säcken für diesen fall + weils heute 1 komplett bezogenes bett gibt, brauchen wir den schlafsack auch nicht. 

aus dem stf antwortet mir ulrike auf deutsch, dass es mit dem kollektivtrafik schwierig sei + erklärt, warum, + dass sie mich abholen könnte. ich sage bescheid, dass ich die verbindungen nochmal prüfe. sie schickt noch 1 nachtrag, dass man nichts einkaufen kann vor ort, bei ihnen nichts außer frühstück möglich sei, dass es nur 1 restaurant im ort gebe, dass sie nicht bis zum nächsten ort, wo man einkaufen könnte, fahren könne, um mich abzuholen, nur zur nächsten bushaltestelle, weil sie samstags, wo ich ankomme, nicht so lange weg könne, weil sie die gäste einchecken müsse. ich antworte, dass es sehr umständich aussieht + ich mir was anderes suche. sie erinnert mich an mich auf arbeit, wenn ich unter stress schnell was schreibe + dann feststelle, dass ich was vergessen habe + schnell noch was nachschiebe. das hektische nachgreifen + nachrufen + nachtelefonieren + die angst haben, dass. 

nach 1 stunde dauerstarkregen denke ich: ok, dann laufe ich durch ohne pause, noch 16 km. meine schuhe sind jetzt auch innen nass, saugen sich voll + werden schwer, aber die sohle lässt sich nicht wie erhofft auswringen. in den socken wirds zum glück nicht kalt, nur die hände, die ich aber nicht in die taschen stecken kann, weil nur das gerade nach unten fallen lassen verhindert, dass regen in die ärmel dringt. 

ich höre 3 stunden hörbuch: anne brontë, wildfell hall bringt mich durch bis zum ende. ich bemerke sonst nichts von draußen, es gibt auch nichts. der regen legt sich über alles. autos fahren an mir vorbei, ohne zu halten – ich habe mir das hier ja so ausgesucht. außerdem bin ich zu nass für die trockenen sitze. ich weiß nicht, ob ichs ablehnen würde, wenn mich jemand mitnehmen wollte. aber es fragt niemand + ich strecke keinen daumen hinaus. 1 riesenlaster kommt mir langsam entgegen, ich weiche aus + warte am straßenrand ab, bis er vorbei ist, ich starre ihn an + er winkt mir. 

man sieht den bildern die anstrengung nicht an

ich schieße 2-3 fotos vom regen, aber man sieht ihn nicht so, wie man ihn fühlt. rundherum ists grau: die straße der himmel der regen der (sprüh)nebel. ich kann verstehen, warum alle licht brauchen. wie wäre es hier zu leben mit den anderen jahreszeiten? mit schnee, dunkelheit, mücken? 

wenn ich hier abfall einsammeln + mitbringen würde, würden die leute sich freuen, glaube ich, + ihre tonnen öffnen dafür. in brandenburg+berlin würden sie sagen, ich solle das selber entsorgen, das sei nicht ihr dreck. tror jag. ich überlege plogging-wanderungen zu organisieren + örtliche restaurants für 1 imbiss als dankeschön zu involvieren. ich könnte was sinnvolles tun. dann finde ich die offiziellen seiten, stelle fest, dass plogging aus schweden kommt: plogga + es all das schon gibt.

bevor die mms kam, habe ich ans arbeiten in schweden gedacht. die wirtin sagt mir das, was ich hören will. will ich im tourismus arbeiten? mit der herausforderung kundenzufriedenheit? ich will nur pilger*innen mit dankbarkeit+demut bewirten, keinen anspruch. schon gar nicht leute mit meinem eigenen. 

auf der brücke, die über die schnellstraße nach matfors führt, schieße ich 1 der schönsten fotos der strecke mit den gereihten weißen lampen vor dunkelgrünen baumreihen unter grau bewölktem himmel. sie tragen noch kein licht, aber der ashalt unter ihnen glänzt weiß vor regen. 

kurz vor der unterkunft kommt der supermarkt, wo ich tropfend+triefend ohne lang zu überlegen den gewohnten räksallad + chockladbollar kaufe. auch 1 janssons frestelse nehme ich mit, weil ich im schwedisch-unterricht davon gehört habe. es ist mit speck, wie sich rausstellt. ich kaufe kex, weil die tafel nur 60 g hat + schnell verpackt verschlungen ist: mit 1 happs. nur meiner nase sieht man die schoki an, weil sie all den zucker mit fett nicht verdaut wie die leber. I see you, I hear you. hier stehe ich + kann nicht anders. 

die kassiererinnen nehmen mein geld aus meinen nassen händen mit spitzen fingern entgegen. die milch für den milchkaffee, auf den ich mich freue, seit ich die selbstbedienungsmaschine gesehen habe, muss extra eingesetzt werden, weil sich sonst vielleicht leute milchkaffee kaufen könnten, die nur normalen kaffee bezahlt haben. geschickt! ich könnte auch wie früher bei kaufland im supermarkt arbeiten. was aber die hölle war. lieber nicht. biomarkt? natascha lacht. 

die letzte nacht

beim auspacken meiner fertiggerichte produziere ich mehr abfall als ich den tag über aufsammeln könnte. jag är ledsen!

die stuga ist eingeheizt + ich irre etwas auf dem hof herum auf der suche nach dem bad, der hausherr zeigt mir die tür zum keller – es hätte auch 1 schild gegeben. ich bin einfach k.o. drinnen trampeln die kinder über die treppen. fürs frühstück habe ich keine wurst bestellt, aber es liegen 3 scheiben neben dem käse im kühlschrank + morgen werde ich sie essen. alles egal. was, wenn ich hier lebte? ich kaufte kein räkbröd für 89 sek.

nachts wache ich auf + checke nachrichten, freue mich mit natascha über unsere freundschaft, der notfallkontakt ist wieder intakt. ich buche 1 stf in ockelbo, 1 ort, von dem ich noch nie was gehört, 2 std. von stockholm entfernt, es fährt auch 1 zug hin. der name geht auf uggla zurück, die eule. das reicht mir als grund hinzufahren. müde fallen mir die augen zu. 

and will you go a_way with me again?
and will you hold my hand like she used to do?