st. olavsleden 2022 (tvärtom) 19/27

st. olavsleden

trondheim – sundsvall, 650 km

tag 19: brunflo – pilgrimstad (8.9., 23,1 km)

alles im leben dreht sich um beziehung

ich checke meine kontakte ab. der kalender gibt mir bescheid, dass guido geburtstag hat. ich aber melde mich nicht. heute hätte ich auf 1 weg sein sollen, wo wir beide einst 1 stück gemeinsam gingen. die erinnerung an den kungsleden von saltaluokta nach kvikkjokk, mit all den guten erfahrungen in schweden + all den neuen dingen, die ich über mich lernte, wie ich beziehung lebte: um die andere person zu entlasten, damit die stimmung sich hebt, lade ich mir so viel auf, wie ich gar nicht tragen kann, bis meine stimmung am boden. die nachricht des verlegers, er wäre interessiert am josefsroman, das heimkehren + die beginnende trennung. das gefühl, ich könnte diesen weg nicht alleine gehen + das neuschöpfen der hoffnung mit dem lightweight-prinzip. die reha, corona, das umwerfen der pläne. soll ich das nächstes jahr nochmal versuchen?

sören schreibe ich 1 langen lappen, erkläre, dass ich die dusche probiert + bei mir nichts getropft, aber es sein kann, dass, wenn mehrere leute hintereinander sehr heiß duschen, es von der decke tropft, wenn man nicht weiß, wie man lüftet. (man bin ich.)

ich komme gut weg

den bauch voll müsli + ausgeschlafen, kann ich das gestrige down gar nicht mehr nachempfinden. was war denn schon wieder? natascha schreibt mir, das gehöre dazu, ich wisse doch, wie es sei. ich übersetze es mit: ich soll halt nicht jammern. das könnte christiane genauso gesagt haben, nur, dass sie sich nicht meldet. yasmin fragt, ob wir uns treffen. sie kommt extra aus holland nach berlin, aber ich bin doch in schweden. 

bin ich erstmal 1-2 stufen raus ausm tief, weiß ich, es waren die alten ängste. weil ich nicht mehr kind, das angst vor dem dunkeln des kellers. ich bleibe im tag, im jetzt: dann wirds schon.

wie soll es werden

auf arbeit/mit berlin/nachrichten? ich habe so viel aus dem leben gestrichen die letzten wochen+monate. wie kehre ich zurück?

singen hilft. she got diamonds on the soles of her shoes.

  • was ich verlor + wiederfand: den stift vom ipad (nur vergruschelt. warum nimmst du den überhaupt mit?)

mittlerweile habe ich 2-3 steine aufgesammelt auf dem weg. aber da jetzt alles geHwicht_ig ist, lasse ich 1 stein i närhäten av steinmuseum liegen. das schaue ich nicht an. vielleicht wärs das richtige für mich, aber mir ist kalt + ich muss die etappe durchstehen. da ist es wieder: hauptsache durchkommen. ist das so schlecht? es ist ja nicht immer so. 1 marathon schafft nur, wer auch nach km 37 noch weiterläuft/geht, egal, was für 1 schmarrn das ist. 

weil der streckenplaner was nicht berechnen konnte beim ändern der strecke (da wir tvärtom laufen, mussten wir die gpx-daten umkehren), haben wir unerwartet beim blick auf die uhr an 1 unmarkierten stelle 1 stück eingespart, fast 1 km. ich freue mich so! die äpfel, die man sich pflücken darf vom baum sind leider verfault. 

brunnsdrickning

die sonne kommt nicht heraus, weil ich gestern trotz strahlendstem himmel mürrisch war. jetzt ist sie beleidigt + hat den trauerschleier umgeworfen. an 1 hauswand hängt für pilger*innen 1 trinkschlauch: anschluss an die quelle direkt. was die leute hier alles für die pilger*innen am wegesrand machen: das ist es, was mich so B_rührt. beim nächsten unterstand weiß ich nicht, obs für pilger*innen oder jäger.

ich bin so unverbunden durch die letzten tage ohne direkten, positiven kontakt, dass ich die leute wieder für zuhälter schieber schlächter halte. 1 gruppe jäger grüßt mich nicht, bei 1 sticht 1 gewehr ausm rucksack heraus, da hält man sich auch bedeckt. wenn ich hier wohnte + das wild in meinem wald nicht schösse: was sagten die nachbarn? wie würden sie die sache beseitigen? wenn ich von was nicht geheilt werden kann, dann die vorstellungen der schlimmen dinge, die passieren könnTen. vielleicht sollte ich einfach krimis schreiben. kanalisierung der negativen gedanken. 

die schmerzen führen dazu, dass ich mich zurückziehen will. der rückzug führt zur unverbundenheit. die unverbundenheit führt zu den schlimmen ausgeschlossen-sein-vorstellungen. jemand beseitigt mich oder ich beseitige mich + die trauer der anderen. „people are strange, when you’re a stranger.“

ich brauche alle wegweiser auf papier wie die 10gebote, die schreib ich mir. bleib in verbindung! schreibe/tue nichts aus verletztem stolz/fehlender befriedigung 1 bedürfnisses. nimm dir zeit. für antworten/reaktionen. du musst nicht sofort reagieren. tritt 1 schritt zurück. denk drüber nach. lass das gefühl durch dich hindurchziehen. 

ich teile den weg in etappen mit vertrauen+einlassen + verteidige die jetzige phase damit, dass nicht dauernd, nur weils geht, alles sein muss. ich kann auch mal was nicht machen, z.b. nochmal anrufen, wenn niemand rangeht: schreib ich halt 1 mail. als ich die 2. hütte anschreiben will, antwortet die 1. 

und wieder geht es 1 tag weiter

nicht mehr so schnell. vielleicht dauert es 1 tag mehr. was spielts für 1 rolle. die verfallenen hütten am weg haben schon neue besitzer*innen. an 1 roten schneeschieber kann ich den winter erahnen, der im norden lauert auf seine zeit. überall stehen hier alte autos+busse herum. alles braucht energie: entweder braucht das auto treibstoff, das pferd oder du. 

  • was alle haben: pferde + alte autos

die kühe im feld machen mittagspause. erst mal widerkäuen. 1 liegt abseits. warum? (thinking about the one thats gone.) wir machen auch gleich nochmal kurz rast, obwohls bisschen feucht ist auf 1 bank: linehäll wie innehåll (inhalt)/uppehåll (aufenthalt).

bald sind wir wieder an den eisenbahnlinienschienen dran. wir sehen zwar keine haltestelle, aber allein das vorhandensein des öpnv macht uns zuversichtlich. + immer noch könnten wir auch klopfen an 1 tür. wenn in 3 monaten weihnachten davor steht, erinnern wir uns an die 3 wirte, die jedes jahr im krippenspiel in der kirche das hochheilige paar ablehnen. 1x spielte johanna die maria. die zukünftige wirtin den abgelehnten gast. ich war noch zu klein. 

weil wir gerne ankommen, machen wir nur 1 bild von 1 mammut + lesen das schild erst jetzt.

mammutfynd
1944 wurde in 1 kiesgrube in der mündung von hållborgån (revundssjön) 1 mammut gefunden. das alter wird auf bis zu 10.000 jahre geschätzt. 1 oberschenkelhalsknochen mit 1 länge von 116 cm war so brüchig, dass er nicht ohne schaden zu nehmen behoben hätte werden können, er wurde daher mit 1 schellacklösung präpariert. nach dem trocknen wurde das bein in baumwolle+leinen gewickelt+eingegipst. die 72-seitige publikation dazu gibts für elefantenenthusiasti*innen online.

im wanderheim bin ich zu früh dran, die wirtin wischt grad raus. ich kann meinen rucksack abstellen, dann geh ich noch 1 runde spazieren. beim pilgrimshus an der versumpften pilgrimskällan steht 1 pilgerstatue, deren blick so erschreckt aussieht wie ich, wenn mich jemand anspricht. selten reagieren die leute so wie die frau, die selber erschrak: alles ok? jaja, das ist mein gschaugoaßgschau.die erinnerung an die cousine michaela, wie sie <abschLussklasse hauptschule> mich <1.klässlerin> geschlagen auf dem schulhof + als die aufsicht kam, an sich zog: ich wäre gestürzt + sie würde mir helfen. wie sie die neckereien das mobbing einleitete, das andere dann übernahmen. wie froh ich war, als alexandra galle neben mir saß, in deren mobbingschatten ich mich versteckte. das buch, das mir auf den kopf geschlagen wurde im bus. die haare, die abgeschnitten wurden. die hochzeit von michaela, wo ich trauzeugin war – wie ich alle beziehung, wie katJastrophal es gewesen sein mag, wieder anknüpfe, in der hoffnung auf änderung – restauraNtion. 

die restaurants im ort sind geschlossen. die saison ist ja schon vorbei. zwar stehen noch öffnungszeiten von freitag bis sonntag drauf, aber ich weiß schon wieder nicht, welcher wochentag ist. ist auch egal. ich hab ja noch reserve, für morgen frühstück gebucht + komme in gällo am nächsten markt vorbei. 

zurück im vandrahemet weiß ich nicht, ob ich mich jetzt frei bewegen darf, die wirtin ist weg. ich suche mir 1 zimmer aus + 1 bett (where do you think, I sleep?). dann schaue ich, ob ich duschen kann, bevor noch jemand kommt – nicht, dass ich damit rechne. es gibt 1 riesigen gemeinschaftsraum mit offener küche, von dem alle zimmer abgehen. im bad hängt 1 schild, dass man nicht alles warme durschwasser verbrauchen soll. auch nicht so viel papier ins klo wegen verstopfung. ich bin in 1 massenunterkunft. die wirtin ist eingekauft + keine herbergsmama. spätestens beim anblick des frühstückstabletts vermisse ich die herbergseltern bernt + guri + heidi + astrid + … 

livsfarlig ledning

vincent aus hamburg kommt + sieht aus, wie jemand, den ich von der arbeit kenne. ist aber nicht so. er hat kein bargeld dabei + ich zahle für ihn, er überweist mir das geld per paypal. ich habe das essen vom kungsleden, das mir die wander*innen schenkten, zurückgezahlt. ich schicke jemanden auf den weg, der jemand anderem wieder etwas gutes tun kann. vincent aber hat den bram-takt: es war schon klar, dass sich alles irgendwie regelt. kein stress. er gibt jetzt das geld aus, das er 3 jahre lang für 1 reise nach japan gespart hat, aber wegen corona jetzt doch nicht macht. er ist der 2., der mir das erzählt, ich glaube, bei claudia wars auch so.

wir plaudern über den weg. vincent ist seit 1 woche unterwegs, so lang, wie ich noch habe, er ist im instagram-modus + dreht lustige videos von seiner strecke + erzählt lauthals lachend von seinen erfahrungen. ich nicke, ja, ich habe fast 400 km hinter mir + ja, so ists. mir kann im grunde nichts mehr passieren, was ich nicht kenne. aber morgen der abschnitt: ich solle mich hüten: da lägen überall die bäume herum. über den abschnitt wurde auch im netz schon mal berichtet. jemand fragte, ob der weg gangbar sei + bekam als antwort: nimm den weg, wie er ist. vincent erzählt den weg als drama. wird er wirklich so sein oder ists wie mit der frau, mit der ich in der reha im selben raum saß, wir aber hinterher 2 verschiedene geschichten desselben erlebnisses hatten: bei ihr stand der halbe saal auf + lief raus, bei mir waren es nur ein paar leute, darunter sie. ihre story war dramatisch, weil ihr heft als das einzige der aufstehenden kontrolliert wurde, ob sie wirklich nicht am seminar teilnehmen müsse. ich hätte die geschichte vergessen. die erinnerung an den kollegen, wie er auf die frage, ob er 1 artikel zum 30-jährigen jubiliäum 1 seminarreihe schreiben könnte, zurückfragte: wieso? wo ist die story? hat sich dadurch 1 leben verändert? 

es ist seltsam, auf deutsch mit jemandem zu sprechen nach so vielen wochen. die schwedin, die noch dazukommt + hier übernachtet, setzt sich nicht zu uns. ich würde sie so gern fragen, hej, går du också olavsleden? kommer du från grimnäs eller gällo? hur var det? würde gerne zu verstehen geben: jag förstår. aber sie läuft telefonierend an uns vorbei. ich verstehe. 

beim recherchieren mit dem guten wlan stelle ich fest, dass ich die strecke verplant habe. an der e14 entlang habe ich den weg gemessen, aber der eigentliche olavsleden führt über den berg + ist 3,5 km länger, also fast 28 km lang. macht die hüfte das schon wieder mit? es hilft alles nichts. 

ich habe die unruhe herumgetragen
als ob sie sich abschliffe am weg
wie der stein im fluss vom wasser gebeugt
bis auf seinen schmalen schimmernden rest
den kann ihm kein tropfen mehr nehmen
so bleibt mir der unruhe kern
im herzen haften
wartet auf seine zeit
wo er anschwillt im moment
zum reißenden sturz
und fällt

weggehen + heimkommen zu sich selbst.
zum eigenton.