st. olavsleden 2022 (tvärtom) 13/27
st. olavsleden
trondheim – sundsvall, 650 km
tag 13: åre – slagsån (2.9., 26,4 km)
„shine bright like a diamond“
jetzt ist es so, wie wir gestern gedacht, dass es wird: kalt, aber schön. ich putze die wohnung auf hochglanz + verabschiede mich wie in borås von weitem auf gut glück mit dem buddhagruß + durch winken. hoffentlich hinterlasse ich 1 guten eindruck. ich glaube, niemand sieht mich.
auf dem weg hinaus aus der stadt komme ich noch an der kirche vorbei, von der ich gestern der mutter die karte geschrieben. vor 8:00 uhr ist nicht offen, aber der schlüssel hängt + ich schließe auf + zünde 1 licht an, weil vielleicht hilfts. es geht wieder die straße entlang mit schienen + indalsälven.
irgendwas liegt mir im magen. vielleicht vertrage ich keinen babybell. trotzdem esse ich auf dem weg noch 2, weil ich ja 1 netz gekauft + eingeplant in die verpflegung. doch bis zum abend beruhigt sich der magen nicht mehr. vielleicht ist es auch die tüte loser schokolakritzsalznüsse, die ich zur hälfte gegessen. es ist mir 1 rätsel.
ich schlage mich in+durch die büsche
im wanderreiseführer steht, der weg an der straße entlang vor/hinter åre sei halsbrecherisch. ich habe gelacht, weil ich dachte, die beschreibung sei etwas übertrieben für 1 weg in form 1 schmalen stücks trampelpfad hinter der leitplanke entlang der autobahn schnellstraße ohne seitenstreifen. dann aber kam die baustelle dort, wo die böschung abfällt in die schienen neben dem fluss. weil hier der verkehr durch 1 ampel geregelt in beide richtungen nur 1-spurig läuft, kann ich die pausen zwischen den ampelphasen nutzen, die seiten zu wechseln + auf dem gesperrten stück straße laufen. was haben wir heute für 1 wochentag? wird hier gebaut? ich muss auch wegen einkauf kucken, weil sonntags sind die läden hier zu …
auf der facebookseite des weges gab es schon hinweise zu manchen abschnitten – ich bin mir nicht sicher, ob das hier dabei war. anke sprach davon, dass sie grundsätzlich trampt, wenn sich der weg lang_weilig herausstellt. oder gefährlich wie hier. („kann ich dich 1 stück mitnehmen?“ – „nein, ich komm schon zurecht!“)
ich mache keine lange pause, weil ich genug energie vom abendschmaus habe. ich bin extra früh los, um zeit für die severdhäter zu haben, die nächsten wasserfälle. wann kommen sie? im rückblick die berge von åre auch schön – die fotos gen westen viel klarer als die gegens sonnenlicht. wir wollten ja richtung sonnenaufgang gehen, aber so verstehen wir auch, warums gen westen auch schön wär.
varsågod sagt man + tack
dann geht es plötzlich den hügel hinauf + wir haben abstand+aussicht. auf 1 stück trail durch den wald überholen mich 5 mountainbiker. ich gehe zur seite + warte ab, bis sie vorbei sind. 1 stöhnt bei jedem tritt ins pedal. mich reißts + ich rufe „go go go!“ oder „gå gå gå!“ ich meine es wirklich gut + will ihn anfeuern, merke aber schnell, dass es auch wie 1 nachäffen klingen könnte. erst später erinnere ich mich an den arsch, der mir 1x beim laufen genau das zurief „go go go!“ + dabei lachte – wie ätzend ich ihn fand. „tack.“ danach der jäger auf dem hochsitz, der sich erschreckt interessiert beim geräusch, das meine schuhe auf dem weg machen, umdreht, lächelt+winkt beim anblick der wanderin. wie anders ihr seid als die brandenburger jäger!
jag lär mig svenska, übe ich für die herberge heute abend. nicht: jag prater svenska. dann ist klar, dass ich üben muss + alle sind gezwungen, mitzumachen. ich bin so geschickt!
der notfallkontakt meldet sich nicht + ich schalte die schwester ein, sie rät mir, alles zu lassen, wies ist + bietet sich als 2. notfallkontakt an. damit habe ich alle meine möglichen personen aufgebraucht einbezogen.
frage: mitten im weg vor 1 wiese liegt 1 haufen holz. was machen Sie? steigen Sie drüber? gehen Sie drumrum? suchen Sie nach 1 alternative? natürlich stellen wir nach der überquerung der mittlerweile von den kühen geleerten wiese fest, dass der weg gesperrt war + neuerdings außen drumrum geht. wir machen an der nächsten bank, die sich an 1 feldhütte lehnt, pause. unten rauscht die hauptstraße, daneben glitzert immer noch der indalsälven, jetzt zunehmend schmaler werdend, im gleißenden sonnenlicht.
vorhin traf ich 1 frau, als ich beim überqueren der straße 2 wander*innen vor mir erblickte, die mir entgegenkamen + ich im impuls aller begegnung auszuweichen, die mir ebenfalls ins mark meiner knochen geschnitzt, abrupt umdrehte + den weg hinunter ins dorf einschlug, wo mir eben sie entgegenkam. du kannst dem schicksal nicht ausweichen, es macht 1 biegung + holt dich andersrum ein. ich kehre mit ihr zusammen um + sie fragt mich, wohin ich gehe. es fällt ihr nicht auf, dass ich schwedisch spreche, es ist ganz normal. der sommer war dålig, sagt sie, nicht viel regen, aber wenig sonne. jetzt ist schon wieder herbst + der winter naht. die saison ist einfach zu kurz.
der trinkwasserbrunnen bei den rastbänken ist abgestellt. es macht mir kaum etwas aus. ich raste hier trotzdem, weil ich nicht weiß, dass ich nur darauf schon (endlich) auf den kungsstenen treffe, von dem mir die frau vorhin auch erzählte, weshalb es auch gut war, dass ich umgekehrt + den richtigen weg wieder eingeschlagen habe. „kung karl IX var nästan ständigt på resa“ – dauernd unter_wegs. hier soll er gerastet haben, obwohl das schild sagt, das ich ausnahmsweise vor ort durchlese, dass es wahrscheinlich 1 nicht wahre geschichte sei, örtlich+zeitlich würde das nicht ganz hinhauen. aber wie soll so 1 großer stein sonst heißen, wenn er nicht dem könig gewidmet ist?
knut schickt mir 1 sms wegen heute abend, weil wir nicht übers essen gesprochen haben. ich habe den rucksack voll + buche frühstück.
nach 1 ferienanlage bin ich versucht, über 1 brücke über den indalsälven zu gehen, aber der weg geht nicht dort hinüber + die brücke ist auch gesperrt bzw. „walking at your own risk“ ist möglich. was werden sie sagen, wenn sie meine leiche aus den fluten ziehen? „warum wollte sie 1 bild machen?“ am nächsten rastplatz nochmal kurz halt. was wir gelernt haben mit den kurzen pausen ziehen wir heute durch bis zum punkt, wo wir merken, wir sind zu spät dran.
gerade dann kommen die highlights. 1 wasserfall nach dem anderen, 3 hintereinander. fors fors fors. die strecke fühlt sich länger an, als geplant – warum habe ich gesagt, ich käme um 16 uhr? weil ich hoffte, das café der herberge sei noch auf + ich habe lust auf café latte + kanelbulle. noch nicht genug?
ich tauche ins rauschen des wassers, in seinen fluss + laufe mit, schnellschnell, hier 1 foto, da 1 schnappschnuss, 17 uhr ist doch auch noch ok? ich zwinge mich zum einhalten, beim 1. forsen/fall klappt es nicht, beim 2. stehe+singe ich, beim 3. letzten, kleinsten aber hinter der kungens kurva klettere ich hinunter zur angekündigten höhle, die ich nicht finde, + hocke mich hin. den rucksack aber setze ich nicht ab.
kungens kurva der steinerne aufbau der "königlichen kurve" sei nicht datiert, so die tafel, aber man könne sich verschiedene gelegenheiten vorstellen wie den karolinermarsch 1718 unter karl xii als verstärkung für die 10.000 soldaten, 6.721 pferde + 2.500 nötkreatur (rinder). aber war der weg, den sie gingen, wirklich so aufwändig hergerichtet? das scheint für die zeit zu zeitaufwändig + mühsam gewesen zu sein. da kommt wieder der karl xiv johan ins spiel, der ca. 100 jahre später die handelswege ausbauen hat lassen + hier das fortkommen erleichtern wollte. oder aber der hof, der hier in der nähe war, hat den wegen ausgebaut, um heu besser zu transportieren. kurz: nichts genaues weiß wieder man nicht + "det är svårt att fastställa när detta skulle ha skett"
was treibt mich an? woher die unruhe? es wartet doch niemand auf mich. außer den gastgeber*innen. aber ob ich jetzt oder 1 std. später komme oder 2? was solls? ja, aber. ja aber wenn sie wegfahren wollen? wenn sie das zeitfenster offen halten? dann hätten sies doch gesagt oder? wie vorgestern beim tännforsen hilft das zwingen zur pause nicht allein für den genuss der sitzung. gestern, als ich die füße hochlegte auf den steinen, war alles im lot.
it’s a lot
1 timmar senare. jag kommer 1 timmar senare.
was ist 1 stunde für den fluss? was ist zeit für dich? wenn ich mich anstrenge, kann ich sinken, ich muss es aber wollen. sonst renne ich vorbei. ich renne zur arbeit, nach hause, zum einkauf, ins theater, durchs buch, die landschaft. ich renne wie der fluss der zeit an allem vorbei. ich kann mich nicht aufhalten. ich muss will den uppehåll lernen. wie es geht, dass man sich nicht sorgt.
ich könnte auch 1 sms schreiben + sagen, dass ich später komme, aber ich tue es nicht, weil ich mir nicht anmaßen will, vorauszusetzen, sie würden mich erwarten. meine güte, was für 1 zwickmühle! schnickschnackschnuck! schere/blatt/papier/stein – warum ist eigentlich das wasser nicht drin? das würde alles wegspülen!
cultural appropriation
die herberge hat 1 wunderbares café, es ist zu, aber rut hat kaffee mit milch da. sie trägt dreadlocks + ich denke an die arbeit + die diskussion um kulturelle aneignung. die erinnerung an meine ersten wochen in würzburg nach dem abitur, ½ jahr nach der hiv-diagnose, das physikstudium, thomas, den ich über 1 datingseite für postive kennengelernt habe, damals clean von heroin, aber nicht lang, + meine haare, die ich versuche zu dreads zu knoten, weil man mir ansehen muss, dass was anders ist als bei all den kragenhemd+pullunderträgern, die neben mir im mathekurs sitzen. nach ein paar monaten habe ich sie einfach wieder rausgekämmt, die „dreads“, weil meine haare zu glatt.
ich habe 1 erklärung für meinen drang, durch die dreads was anders zu machen, aber es macht die sache an sich nicht besser, weil man, zumindest vor 20 jahren, zumindest in bayern mit dreads wie 1 grattler daherkam + damit der frisur keinen gefallen tat, sondern sich mit ihr in die schublade der taugenichtse steckte. beim thema rassismus ist klar, dass es nur 1 seite gibt, auf die man sich schlagen kann. die erinnerung an den nazi, der mich <gothic-teenager> plötzlich in der mitte der straße beim überquerenden entgegenkommen fragte, ob ich linksoderrechts sei + wie ich auf die grüne/rote ampel schielte, den bus im kopf, der gleich abfahren würde, + sagte: ich bin neutral. neutral gibts hier nicht. es gibt nur rassist*innen oder keine rassist*innen + wir sind alle rassistisch erzogen. wir müssen uns ständig neu reflektieren + uns unserer privilegien bewusst sein.
das alte riesige kirchengebäude, das knut+rut hergerichtet haben, ist bis ins detail ausgeschmückt mit abertausend afrikanischen schnitzereien, gedrechselten möbeln, aufgepolsterten sofas, gewächsen, pflanzen, spielzeug, lametta + glitter. es ist herrlich. ich kann es ihr nicht oft genug sagen. ich sage nichts über cultural appropriation, weil ich nichts über sie weiß + nach meinem langen wandertag, wo ich nur angst hatte, zu spät zu kommen + gleichzeitig die highlights genießen wollte, keine akademische diskussion führen kann. ich will mir nichts anmaßen. ich will hier schlafen. (was aber wäre, wenn ich wiederkäme? was ist mit meinem umfeld?)
wir plaudern auf swenglish + ich erzähle ihr quasi die rehastory. rut erzählt, sie habe neben dem café, das sie für die kirchengemeinde aufrechterhalten + zu dem sonntags so viele leute kommen, dass sie sich fast hier stapeln, noch 1 friseurladen im haus, 1 loppis + kleidung. knut arbeitet zusätzlich + sie kaufen, was sie brauchen in der gegend ein, um sich alle gegenseitig am leben zu erhalten. gemenskap.
was alle haben: 1 loppis (flohmarkt)
jag är ensam
das zimmer ist 1 wohnwagen im hof. es gibt 1 herd + 1 klo, die dusche im haus darf ich nutzen. ich frage mich, ob ich ohne dusche auskomme + was ist, wenn die haustür zu ist. aber sie ist nicht verschlossen. den herd kriege ich nicht an. niemand kümmert sich um mich, wenn ich es nicht selbst tue. ich bin 1 singuläre person. ich rufe an, um nach 1 wasserkocher zu fragen. weil niemand abhebt, gehe ich ins haus + rufe nach rut. sie gibt mir 1 kocher + 1 flasche wasser zusätzlich. es geht, ich kann für mich sorgen.
weil es so warm ist, schalte ich die heizung zurück. es ist gut gemeint, keine*r spart an mir energie. ich lege mich hin, weil ich erschöpft bin, aber abends halb neun wache ich auf, weils arschkalt geworden ist. habe ich die heizung ausgeschaltet? sie geht nicht mehr an. wo müsste man sie anstellen? ich krame die schränke + kabel + kästen durch, probiere verschiedene schalterstellungen aus, aber es läuft nichts mehr an. ich kann doch jetzt nicht rübergehen + fragen? wofür habe ich den wasserkocher?
selfservice-survival-cat
aus meiner ärzt*innen ohne grenzen-flasche mache ich mir 1 wärmflasche mit heißem wasser, die alumatte umgewickelt, aus dem schrank 3-4 decken, mütze, handschuhe, 1 topf heißwasser nebens bett?! draußen kühlt die nacht auf 2 grad ab. ab welcher temperatur erfriert man? wenn sie mich morgens tot auffinden, unterkühlt erfroren, was werden sie sagen? „warum hat sie nicht gefragt?“
um 2 uhr nachts wacht die leber wie gewohnt auf + ich koche das wasser wieder warm. ich habe nur 1 begrenzten vorrat im kanister. nicht, dass das auch noch ausgeht. das thermometer im wohnwagen zeigt 19 grad, aber das kann nicht sein. um 4 uhr wiederhole ich alles, weil ich wach bin. gut, dass ich den tipp mit der blechflasche als wärmflasche im outdoormagazin gelesen + sie mitgenommen habe.
wie kann ich erklären, dass ich gerade noch so gut für mich gesorgt habe, aber jetzt nicht mehr frage? ich komme schon zurecht! ich kann für mich sorgen, du brauchst mir nicht helfen, schau, ich hab ja schon 1 wasserkocher bekommen, damit kann ich alles richten, ich maches mir warm. ich muss dich nicht stören, ich dränge mich nicht auf, ich mache keine umstände. die erinnerung an das gespräch mit der schwester + das gefühl der kindheit, immer im weg zu sein + zur last zu fallen. die mutter, die mich im café bittet, der wirtin, die so schlecht läuft wie sie, zur hand zu gehen. sie kanns nicht mitansehen.
wie tief sie sitzen, die muster. das gehorsam sein, das pflichtgefühl, das nicht-vorhanden-sein. wie man die an sich selbst gestellten anforderungen in andere hineinlegt. was ist 1 ankommen zur verabredeten zeit gegenüber dem einmaligen erlebnis von 3 wasserfällen? das aufschreiben ist schon zu viel. es sollte keine rolle spielen. ich bin ein bisschen krank im kopf.
balance halten zwischen vorrausschauend+överplanering. es gibt kein wlan. wirds jetzt knapp mit recherche?
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