route 50+ (fjärde gangen – mer eller mindre) rennsteig III

etappe 3/5, von schneekopf nach friedrichshöhe

10.08.2020, schneekopf nach friedrichshöhe, 39 km

in aller frühe, noch bevor die sonne übern kopf scheint, packen Sie Ihre sachen, erfreuen sich 1 letztes mal Ihrer hütte und kriegen beim zufallenlassen der tür hinter Ihnen, wo jetzt keine_r mehr aufmachen kann, wenn Sie plötzlich feststellen, dass Sie doch was vergessen haben (regenjacke hinter der tür, hygienebeutel im bad, herd an …), Ihre kleine wohlbekannte panikattacke, die Sie mit bravour meistern, indem Sie durch das gitter der feuerleiter in die tiefe blicken und sich von 1 angst in die nächste retten – zack fällt die feuerschutztür ins schloss. es gibt kein zurück.

und wenn Sie gestern noch glaubten, die längste etappe läge nun hinter Ihnen und die schwerste auch, es könne nur schöner noch kommen, sind Sie noch nie den rennsteig gelaufen. (so ist’s!) und Sie fliegen leichtfüßig leichtflüssig hinab, weil das knie ohne murren knickt und Sie die schmerzen in den oberschenkeln ignorieren – noch 1 baustelle können wir nicht gebrauchen! überhaupt haben Sie sich die strecken vorher gar nicht genau angesehen, Sie haben nur dem marketingruf des rennsteigs vertraut, der Sie bis nach berlin verfolgt hat, und nun haben Sies: 1 etappe entlang der hauptstraße + regen. (letzteres nur kurz zur abkühlung, wurde auch zeit.)

nach wenigen km bereits sehnen Sie sich so nach den unberührten wegen inmitten des waldes zurück, dass Sie sich gut+gerne im gestrüpp verlaufen, und nur widerwillig zurück zur landstraße finden. keine_r weiß wieso, es ist ja niemand unterwegs, kaum autos, lkws oder motorräder – und ach ja, es ist montag – auch keine wanderer (die einzigen beiden frauen, die Ihnen begegnen, kommen ungelegen, denn kurz vor der ersten haben Sie sich Ihr frühstück übers oberteil gekippt und sehen nach 1 schlechten nacht aus, der zweiten gehen Sie ausm weg, weil Sie das gegenteil von Ihnen: schweres gepäck, das man gelbrotorange weithin sieht). da führt der weg endlich wieder durch wald.

früh am morgen, wenn die kioskkraft gerade erst die tür aufsperrt, erreichen Sie den bahnhof, der wie alles hier, der friseur, der bäcker, das hotel, so heißt wie sein weg. für 1 moment überlegen Sie, wann die bahn kommt, wohin sie fährt und ob Sie nachschauen sollen, dann ist die schwäche vorbei, Sie kürzen ab über die gleise und nehmen die nächste anhöhe.

Sie fragen sich kurz, ob das den ganzen tag so weitergehen soll, und kriegen zum dank das passende schild.

langsam dringt die sonne wieder durch und heizt die nassen felder auf. vor Ihnen liegt der höhepunkt der wanderung: Sie haben sich wie 1 profi auf die tour vorbereitet und dank Ihrer angst, dauernd zu verhungern (fangen Sie nie mit diäten an!), ins nächste dorf 1 kleines survivalpaket in die poststelle im edeka (!) geschickt. Sie waren sich vorher der paradoxie bewusst, sich lebensmittel in den supermarkt liefern zu lassen, aber Sie wollten ja Ihre tägliche selbstgemischte kraftmüslistärkung in auflösbarer fast trinkbarer form, die Sie sich heute so grazil übers hemd geschüttet, damit der magen nicht zu stark belastet wird fürs laufen. Sie haben sich so viele gedanken gemacht für nichts. jetzt können Sie nicht laufen und haben gar keine lust mehr auf Ihre kraftmischung, sondern möchten einfach leckere sachen im edeka konsumieren, dazu literweise wasser, weil Sie von gestern noch so ausgetrocknet sind. machen Sie das mal. gleich kommt der berg des tages, da wollen Sie ja nicht einfach so drüberlaufen, sondern das muss man ja spüren.

trinius hat wieder 1 baude gestiftet, aber Sie hechten vorbei, Sie haben gerade 1 älteres ehepaar überholt und möchten sich jung+agil fühlen, also laufen Sie den berg mit aller gewalt nach oben, was kein problem ist, Sie haben ja stöcke + 1 willen, der treibt Sie voran. kein gedanke mehr an 1 kaputtes knie, an 1 radsturz, an 1 unheilbare virusinfektion. nein, Sie sind kräftig weiblich kühn und haben durch entdeckung der epigenetik beste chancen, Ihre erblich bedingten störungen zu überwinden. außer atem kommen Sie oben an, nehmen sofort die leichtere route und stellen kurz darauf fest, dass das ältere pärchen Sie auf dem richtigen weg überholt. Sie sind richtig froh darüber, sonst müssten Sie jetzt dauernd weiter so hetzen. wer überholt, wird verfolgt!

nach dem berg ist … etwas weniger ehrgeizig kommen Sie am masserberg an, wo Sie in ruhe 1 gruppe krückenschwingender rehabilitanten passieren lassen, die sich über den rennsteig unterhalten, und schleppen sich auf den berg hinauf, der wie alle anderen so klein ist, dass er 1 aussichtsturm braucht, Sie geben aber keinen € für den aufstieg aus (aufstieg: 1 €), weil Sie das nicht einsehen wollen und Ihnen keine_r erklärt, warum man das trotzdem machen könnte, sondern gehen gleich weiter und wieder hinab.

wir schnappen nach luft

jetzt liegt das ende der etappe schon gefühlt vor Ihnen. aber wie immer, wenn die strecken fast marathonlänge haben, sind Sie gefühlt bei km 30 eigentlich schon satt vom gehen+schauen und die letzten km ziehen sich nur noch wie pech. zum glück machen Sie das gerne, was Sie da tun, da spielen die paar meter auch keine rolle mehr, und Sie rechnen mit etwas schwerem kopf aus, wie viele minuten Sie noch gehen müssen und wie viele sekunden 100 meter dauern und wie viel strecke “1 hut 1 stock 1 rosaroter damenunterrock” am stück gesungen bringt und stellen fest, dass Sie sogar den hitzepunkt überwunden haben, bevor Sie ankommen.

Sie haben anscheinend 1 riesiges (altes) apartement für sich gebucht. die auskunft, Sie seien vegetarier, kommt überraschend für die gastgeber, Sie verzichten aufs abendbrot und essen von Ihren (zahlreichen) resten von der käseplatte von gestern abend (und entschuldigen sich bei all den fischen, die Sie in der letzten zeit – sicherlich nur des jodgehalts wegen – verzehrt haben und geloben deren verwandten besserung). Sie haben sich 1 kärtchen ins paket gelegt, das Sie daran erinnert, dass Sie für sich da sind und Sie das schaffen. Sie glauben daran und schlafen ein.

fortsetzung folgt …

(c) kaschpar